Wie körperlich ist Ästhetische Kommunikation?
Physical Theatre und Sprecherziehung

Zwölf bmk-Mitglieder sind zu Sarah Gieses Fortbildung zum Thema physical theatre zusammengekommen. Veranstaltungsort ist zum ersten Mal die vorübergehende Studiobühne der Uni Münster. Also der perfekte Rahmen für einen Theaterworkshop.

Sarah Giese ist Sprecherzieherin (DGSS) und besonders zu Hause im Bereich ästhetische Kommunikation: Sie arbeitet u.a. als Sprecherin in Fernsehen und Hörfunk und als Stückeschreiberin beim preisgekrönten Jugendtheater Cactus.

Bevor es richtig losgeht, stöbere ich ein wenig durch die Bücher und Kopien, die Sarah bereitgelegt hat. In einem Buch über physical theatre bleibe ich prompt an folgender Überschrift hängen: „Was ist physical theatre? (Und warum wir es hassen, diese Frage zu beantworten)“. Eine gute Einstimmung auf die kommende Fortbildung, denn es stellt sich heraus, dass physical theatre zwar sehr schwer zu beschreiben aber sehr gut zu erleben ist.

Unsere Referentin hält sich daher nur kurz mit einer theoretischen Einführung auf. Grob lässt sich sagen, dass es im physical theatre darum geht, den Körper als Ausdrucksmittel für theatrale Inszenierungen zu nutzen. Dabei ist die Methode jedoch sehr offen: Der Körper kann zum Hauptausdrucksmittel werden, aber auch als ein Medium im ‚klassischen‘ Sprechtheater dienen. „Bewegungstheater für Nichttänzer“ lautet Sarahs Kurzformel.

Love and War – Cactus Junges Theater

Jetzt heißt es ausprobieren. Die folgenden Stunden sind wir mit Körperübungen beschäftigt. Zunächst ohne und später mit Text. Um zumindest einen ungefähren Eindruck zu vermitteln zwei kurze Beispiele:

Jeder wählt einen alltäglichen Bewegungsablauf aus. Dieser wird neutral, also ohne ‚Haltung‘ so lange ausgeführt, bis er sich automatisiert. Im nächsten Schritt gibt Musik einen Rhythmus für die Bewegung vor. Dann wird in Stufen die Intensität der Bewegung gesteigert. Faszinierend daran: Die Bewegungen sind sehr schnell von der Alltagshandlung entfremdet und wirken abstrakt. Dennoch sind alle Darsteller in der Situation präsent. Die Bewegungen wirken nie ‚gemacht‘ oder gespielt. Obwohl alle ‚neutral‘ gestartet sind, ergibt sich beim Betrachten eine Vielzahl an Assoziationen und Bedeutungen.

Später arbeiten wir mit einem Dialog. Nach jedem Wortwechsel verändern die Spielpartner ihr Nähe-Distanz-Verhältnis, gehen also z.B. einen Schritt aufeinander zu. Im nu ergibt sich aus dem so geprobten Text ein Beziehungs- und Emotionsgeflecht der Figuren. Es bieten sich Bedeutungen und Inszenierungsmöglichkeiten an, die bei reiner Textlektüre verschlossen geblieben wären.

Fazit

Vermutlich hat jeder Teilnehmer ganz eigene Erlebnisse mit unserer Arbeit gemacht. Deshalb bleibt mein Fazit rein subjektiv. Für mich ist spannend am physical theatre, wie es die Übungen erlauben, ohne Planung und Bewertung zu Bewegungen zu kommen. Dadurch entsteht nach Innen ein Flow-Erlebnis mit Konzentration auf den Augenblick. Nach außen entsteht ein sehr präsenter und natürlicher Körperausdruck, der überraschende Anknüpfungspunkte für Text- und Bühnenarbeit bietet.

Nach 6 Stunden kann ich die Ausgangsfrage „Wie körperlich ist Ästhetische Kommunikation?“ für mich klar beantworten: „Sehr!“